Grace Young . Maria Agnesi . Nicolas Bourbaki . Sofja Kowalewskaja . Seki Takakazu
"Emmy, rutschen wir um die Wette? Ich probier es mit der Geraden!"
Bei drei ging es los. Emmy kam zuerst an. "Hey, du hast geschummelt."
"Nein, hab ich nicht. Aber meinetwegen können wir nochmal rutschen. Diesmal auf einer gebogenen Rutsche, und du kriegst Vorsprung."
Max rutschte, hielt auf halber Höhe, zählte dann bis drei, und
das Wettrutschen startete. Sie kamen gleichzeitig an.
"Emmy, wie machst du das?"
"Ich rutsche genauso wie du. Auf einer gebogenen Bahn ist man einfach schneller, als auf einer geraden. Und die beiden Bahnen sind gerade so gebogen, dass man von jedem Punkt aus gleichschnell unten ist."
"Aha, und das kann man ausrechnen?"
"Ja, aber dazu braucht man ziemlich komplizierte Analysis. Die Bahnen
heißen Brachistochronen und sind die schnellsten Verbindungen zwischen
zwei Punkten, die nicht direkt untereinander liegen. Deshalb haben Halfpipes
diese Form."
Ein netter Link zu Brachistochronen
"Emmy, ich dachte in der Analysis geht´s um Ableiten und Integrieren?"
"Naja, die Halfpipes sind schöne, aber fortgeschrittene Anwendungen davon. Wesentlich an der Analysis sind Grenzbetrachtungen."
Sie gingen weiter und kamen zu einem Bildschirm, auf dem ein Kreis zu sehen
war. Emmy drückte auf den Knopf darunter und in dem Kreis erschien ein
gleichseitiges Dreieck. Sie drückte noch einmal, das Dreieck verschwand
und dafür erschien ein Quadrat. Dann ein gleichseitige Fünfeck, dann
ein Sechseck und immer so weiter.
"Das wird ja dem Kreis immer ähnlicher je mehr Ecken dran kommen", meinte Max.
"Man könnte sagen, dass der Kreis der optische Grenzwert regelmäßiger Vielecke ist", ergänzte Emmy.
"Ja, das leuchtet ein."
Anmerkung der Redaktion: Aus der Sicht der Analysis sind "runde" Stücke und Ecken extrem unterschiedliche Dinge. Insofern werden regelmäßige Vielecke dem Kreis immer unähnlicher, je mehr Ecken sie haben, aber vom Aussehen her kann man ein Millionen-Eck wohl kaum vom Kreis unterscheiden!
"Schau mal, hier gibt es noch eine schöne Anwendung der Analysis."
Emmy zeigte auf einen Pavillon mit einem geschwungenen Dach. In dem Pavillon konnte man sich ein eine Riesenseifenblase stellen.
Während Emmy von den bunten Seifenblasen um sie herum in den Bann gezogen war, spielte Max am Nachbartisch mit Drahtgebilden und einem großen Eimer Seifenlauge. Emmy kam zu ihm.
"Die Seifenhäute bilden sich ja gar nicht auf den Tetraederflächen!", staunte er.
"Nein. Sie bilden sich immer so, dass ihre Fläche möglichst
klein ist. Hier bilden sich sechs Dreiecke vom Mittelpunkt des Tetraeders zu
den sechs Kanten. Probier mal den Würfel."
Max spielte eine Weile mit den verschiedenen Drahtgebilden, während Emmy die Erklärungstafel an der Wand des Pavillons las.
Seifenblasen und das Münchner Olypiastadion
Seifenhäute bilden sich immer so, dass ihre Fläche möglichst
klein ist. In einer mathematischen Sprache heißt das, sie bilden Minimalflächen.
Diese Eigenschaft wird in der Architektur genutzt. Beim Bau großer Gebäude
ist es schwierig, die Stabilität der Dächer zu gewährleisten.
Seifenhäute sind ein ausgezeichnetes Modell dafür, wie die Dächer
am besten gebaut werden sollten.
Auf diese Weise ist beispielsweise das Dach des Münchner Olympiastadions
und das Dach dieses Pavillons entstanden.
Das Münchener Olympiastadion mit Seifenhautdach:
Und los!
Dann schlug Max vor, ein weiteres Wettrennen zu machen. Diesmal sollte es darum gehen, die Rutschen hochzulaufen. Er ging geradewegs auf die gerade Rutsche zu und überließ Emmy die gebogene. Am Anfang lag Emmy haushoch vorn. Doch im steilen Stück hatte sie wirklich zu kämpfen. Max überholte sie und stand strahlend da, als Emmy endlich oben ankam.
Anmerkung der Redaktion: Eine wirklich umfassende und einfach geschriebene Einführung in die (Schul-)Analysis.