Eine Legende erzählt, dass aus dem Körper des Ur-Menschen Purusha vier Varna (Kasten) entstanden sind: aus dem Mund die Brahmanen (Priester), aus der Schulter die Kshatriya (Krieger), aus den Schenkel die Vaishya (Händler) und aus den Fußsohlen die Shudra (Knechte, Dienstleistende).
Die Varna sind aber eher eine ideologische Einteilung, im richtigen Leben spielen sie heute kaum eine Rolle. Wer Brahmane ist, ist nicht automatisch reich und wer Shudra ist nicht automatisch arm.
Wichtiger im heutigen Leben sind die Jati - sozusagen Unterkasten. Davon gibt es sehr viele - manche sagen 2000-3000, andere gehen sogar von mehr als 3000 aus. Jati bedeutet etwa soviel wie Geburtsgruppe.
Bei der Geburt ist festgelegt, welcher Jati man angehört, wechseln kann man eigentlich nicht. Jatis spiegeln ethnische, soziale und kulturelle Differenzen wieder. Sie können von Region zu Region verschieden sein, und teilweise sind sie mit einem Beruf verbunden. Die Jatis verbinden Menschen durch gemeinsame Normen.
Manchmal zeigt ein Teil des Namens eines Menschen an, welcher Jati er angehört. So könnte zum Beispiel das "Iyengar" in Ramanujans vollständigem Namen eine Bezeichnung seiner Jati sein.
Völlig außerhalb des Kastensystems stehen die Unberührbaren. Sie haben die niedrigste Position in der indischen Gesellschaft und werden nach wie vor diskriminiert. Aber auch hier zeichnet sich eine Veränderung ab: 1997-2002 war ein Unberührbarer indischer Präsident!
Heute ist es in Indien verboten Menschen, unterschiedlich zu behandeln, weil sie aus unterschiedlichen Kasten stammen. Lange Zeit sind die Kasten aber dazu benutzt worden, gesellschaftliche Machtstrukturen zu erhalten, und auch heute noch wird hauptsächlich innerhalb einer Kaste geheiratet. Zu Ramanujans Zeiten wäre es dagegen schon ein Vergehen gewesen, wenn der Brahmane mit jemanden aus eine niederen Kaste gemeinsam gegessen hätte.