Es ist 1935. Paris. Junge Mathematiker treffen sich, die gerade ihre ersten Jobs an Provinz-Unis angenommen und dabei das gleiche Problem haben:
Es gibt einfach zu wenige Mathematiker, die neue, zeitgemäße Lehrbücher hätten schreiben können. Der 1. Weltkrieg zwischen 1914 und 1918 hatte viele Opfer gefordert - auch unter den Mathematikern. Die Lehrbücher für ihre Studenten sind völlig überaltet.
Die jungen Mathematiker beschließen also, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie gründen eine Art Geheimbund und nennen ihre Gruppe "Gesellschaft der Mitarbeiter von Nicolas Bourbaki". Nicolas Bourbaki existiert aber überhaupt nicht. Sie haben sich den Namen ausgedacht, um gemeinsam veröffentlichen zu können.
Ihre Leitsätze sind:
Wir schreiben die Grundlagen der Mathematik neu!
Dabei beziehen wir uns nicht
auf andere Werke!
Das schaffen wir in drei Jahren!
Natürlich bekommt die Gruppe Regeln. Zum Beispiel diese:
Wer Mitglied ist, erfährt die Außenwelt nicht und: Frauen sind
theoretisch erlaubt.
Wird ein Mitglied 50, ist es zu alt für die Gruppe und steigt aus.
Wer Mitglied werden will, muss bei einem Treffen alles verstehen und Humor
haben.
Die "Bourbakis" treffen sich am liebsten unter freiem Himmel und regelmäßig, denn es gibt viel zu diskutieren. Immerhin die ganze Mathematik! In welche Bereiche teilen wir sie auf? Was gehört in welchen Teil? Wollen wir endlich einheitliche Symbole?
Jedes Mitglied hat eine Meinung, und um jede Meinung darf gestritten werden. Eigentlich sollte ja nach drei Jahren das Projekt beendet sein... aber kein Wunder, dass die erste Veröffentlichung erst 1939 erscheint - vier Jahre nach der Gründung.
Ohne die selbstorganisierte Gruppe Nicolas Bourbaki hätten wir aber wahrscheinlich heute noch keine einheitlichen Symbole in der Mathematik. Das Prominenteste ist sicher: [Grafik] - die leere Menge. Das ist die Menge, in der nichts drin ist.
Und wie geplant haben die "Bourbakis" den Grundlagen der Mathematik ein Gerüst gegeben: Für die Mengenlehre, die Algebra, die Topologie und die Analysis haben sie es schon geschafft. Der Rest ist noch in Arbeit.
Auch wenn ihre Ideen nicht "up to date" sind: Bourbaki lebt!